Prolog

Eine drückende Stille liegt in der Luft. Eine Stille, welche ich in diesem Ausmaß nie wahrgenommen habe.
Das Zimmer ist quadratisch. Die Wände sind in einem freundlichen Pastellton gestrichen, geschmückt mit einem Bild und einem Jesus-Kreuz. Auch wenn nicht vorhanden, so fällt auf, dass es hier keine Uhr gibt. Das Badezimmer ist durch eine Holztür im Raum getrennt. Das Mobiliar besteht aus einem Kleiderschrank und einem kleinen Esstisch mit zwei Stühlen. Die Fenster sind groß, so breit, dass die Sonne zu jederzeit hindurch scheint. Eigentlich. Seit Tagen sind sie durch die dicken Vorhänge verdeckt, die sich gelegentlich den Schwingungen der Luftzüge anpassen. In der Mitte steht das Bett, in dem er schon viel zu lange liegt. Seitwärts ein Beistelltisch, auf dem sich seine persönlichen Sachen befinden. Das Übliche – Mobiltelefon, Portemonnaie, Taschentücher, ein Notizbuch und ein Stift.
Es ist absurd und paradox, wenn man im Detail betrachtet, was dort alles verweilt. Es sind Habseligkeiten, die niemals mehr an Bedeutung verloren haben, wie zu jenem Zeitpunkt.

Er liegt ganz ruhig in diesem Bett und atmet. Sein Atmen beruhigt mich. Er lenkt mich von dem stechenden Gefühl in meinem Herzen ab, welches weiß, was sich anbahnt und gleich passieren wird.

Ich erinner mich noch genau, heute, am 09. Juni vor einem Jahr saßen wir gemeinsam auf einer Parkbank, unter einem Baum, der uns mit seinem Schatten umarmte. Die Sonne schien, es war ein herrlich warmer Tag, Blumen blühten in den buntesten Farben und eine scharr Vögel zwitscherten. Mit etwas Fantasie hörte man sogar die Melodie heraus, die heute nur Dir galt.

Für einen kurzen Augenblick ließen wir die Seele baumeln. Wir waren umsorgt mit Kaffe und den geliebten Pflaumenteilchen von deinem Lieblingsbäcker – das einzige Gebäck, was Du nicht mit mir teilen brauchtest. Dich aber machte es glücklich und darum ging es. Ich habe es geliebt, wie Du dich über die Kleinigkeiten gefreut hast. Deine Augen haben dann in einem unvergleichbaren Glanz gefunkelt, sodass ich immer wusste, dass es dir jetzt gut ging.

Die Atmosphäre sorgte für ein inspirierendes Gespräch über vergangene Tage und das, was unsere Zukunft bringen soll. Wir sprachen darüber, wohin wir gemeinsam reisen und was wir ganz nah und in Farbe sehen wollen. Unsereins alberten herum, wie wir deine Musikkarriere starten. So tauschten wir unsere kleinen und großen Wünsche aus, die bislang unerfüllt blieben.

Doch so liebevoll Du bei diesem Gedankenspiel mitgemacht hast, so habe ich in deinen Augen gesehen, dass Du wusstest, dass all die gesprochenen Worte hoffnungslose Fiktionen sind. Du hast gespürt, dass unser größter Wunsch nicht in Erfüllung gehen wird. Du wusstest, es ist bald an der Zeit Abschied zu nehmen. Du wusstest, es wird dein letzter Geburtstag sein.

Besonders heute wünschte ich, Dich fest zu umarmen und zusammen mit Dir das Leben zu feiern und wie so oft, gemeinsam mit Dir über deine liebevollen Versuche, mir deine Pflaumenteilchen schmackhaft zu machen, lachen zu können.

Du hast mich vieles gelehrt, mich aufgefangen und immer wieder auf den richtigen Pfad gebracht. Du bist mein Vorbild, mein Held. Und so sehr du mir fehlst, so denke ich oft und gerne an all die wunderbaren und manchmal herausfordernden Momente die wir erlebt haben zurück. Du hast mir gezeigt und vorgelebt, dass Optimismus immer der richtige Weg ist. So hast Du mich am Ende von unserem gemeinsamen Kapitel gebeten, positiv nach vorn zu schauen, weiter unbeirrt an meiner Geschichte zu schreiben und die Segel weiter auf Kurs zu halten. Dieses Versprechen löse ich hier und jetzt ein. Du wirst immer ein Teil von mir bleiben und mich im Herzen begleiten. Happy Birthday, Papa.

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